Die Olympischen Spiele in Paris sind vorbei.
Vielfach war zu lesen und zu hören, dass sie ein großer Erfolg waren. Nicht nur sportlich, sondern auch in ihrer Inszenierung.
Es gab neben dem olympischen Feuer, das als Ballon symbolisch über der Stadt schwebte, eine „Olympia-Glocke“.
Sie wiegt 500 Kilo, ist aus Bronze und im Leichtathletik-Stadion aufgebaut. Dort wurde sie von allen Goldmedaillen-Gewinnerinnen und -Gewinnern geläutet. Damit haben sie ihrer Freude nach Herzenslust freien Lauf lassen können. Und manchen Sportlerinnen und Sportlern hat man die überbordende Freude in diesem Moment des Läutens auch richtig angesehen.
Die Glocke heißt „Sieger-Glocke.“
Wenn die Paralympics abgeschlossen sind und sie auch dort noch geläutet worden ist, soll sie an ihren eigentlichen Bestimmungsort gebracht werden: Die Kathedrale Notre-Dame. Notre-Dame braucht eine neue Glocke, denn in dem großen Brand vor 5 Jahren wurden Dächer, Dachstuhl, Teile der Gewölbe und der Vierungsturm zerstört.
Bei der Wiedereröffnung, die für Anfang Dezember geplant ist, soll die „Sieger-Glocke“ geläutet werden. Und so sollen sich die Menschen an die olympischen Spiele erinnern, die so wichtig waren für Frankreich – und für die ganze Welt.
Das Land Frankreich ist in diesen Monaten schwer erschüttert, nach den Neuwahlen ist die Regierung zurückgetreten und noch konnte keine neue eingesetzt werden.
Und die ganze Welt ist in der Krise: Der Nahostkonflikt droht zu eskalieren, weiterhin werden Waffenlieferungen in die Ukraine schwer umstritten diskutiert. Man könnte das Gefühl bekommen, dass an vielen Orten auf der Welt gerade neue Krisenherde aufbrechen.
Da kam es sehr gelegen, dass sich bei einem sportlichen Event auch sonst verfeindete Nationen begegnen und auf ganz anderer Ebene miteinander messen konnten.
Nicht nur deshalb scheint die Stimmung in Paris unerwartet ausgelassen und heiter gewesen zu sein. Manche Pariserinnen und Pariser sind für die Wochen der Olympischen Spiele eigentlich in den Urlaub gefahren, weil sie Angst vor Verkehrschaos und Überfüllung in der Stadt hatten – sind dann aber spontan nach Paris zurückgekehrt, weil sie die Stimmung dann doch nicht verpassen wollten.
Die Olympischen Spiele 2024 haben es vielleicht noch mehr als sonst geschafft, zu versöhnen und Menschen zusammenzuführen.
Wenn der sportliche Hype als im Dezember schon abgeklungen ist, dann soll die Glocke an ihrem neuen Ort in der Kathedrale geläutet werden und daran erinnern, dass auch die Wiederaufbau von Notre-Dame ein Sieg ist – ein Sieg über die Entmutigung einer ganzen Nation, die damals auf das Feuer in Notre-Dame gefolgt ist.
Wenn sie läutet – nicht nur bei der Eröffnung, sondern von da an täglich – dann wird die „Sieger-Glocke“ auch daran erinnern, wie ein Ereignis siegen kann über die Zerklüftung einer Gesellschaft und einer Welt.
Jeder Glockenschlag ist ein kleiner Sieg: Die Goldmedaillen-Gewinnerinnen und -Gewinner haben die Glocke geläutet als Zeichen ihrer Freude über den Sieg bei Olympia.
Aber auch als Zeichen dafür, dass die Welt ein Stück weiter zusammengerückt ist.
Die Abgründe unserer Welt zu überwinden ist möglich.
Die Spaltungen und Unsicherheiten zu überbrücken ist möglich.
Und ich habe dabei auch an unsere eigenen Glocken gedacht: Sie läuten mindestens zweimal täglich. Oft drei oder viermal. Und jedes Mal rufen sie Menschen zusammen – auch wenn viele in Burgau deshalb nicht in die Kirche kommen. Die Glocke erinnern die Menschen in Burgau daran, dass wir irgendwie doch alle zusammengehören.
Amen.